Vergabeprozess
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Vergabe von Empfangsdienstleistungen
Der Empfangs‑ und Servicebereich ist Visitenkarte und Sicherheitszone zugleich. Um einen externen Anbieter für diesen Bereich auszuwählen, müssen öffentliche Auftraggeber das deutsche und europäische Vergaberecht einhalten. Die Vergabe von Empfangs‑ und Serviceleistungen erfordert ein strukturiertes, transparentes Verfahren. Durch sorgfältige Vorbereitung, klar definierte Anforderungen und ein nachvollziehbares Bewertungssystem kann der Auftraggeber das wirtschaftlichste Angebot identifizieren und gleichzeitig soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Eine umfassende Dokumentation und offener Umgang mit Bietern fördern Vertrauen und minimieren Rechtsstreitigkeiten.
- Rechtlicher
- Vorbereitung
- Durchführung
- Eignungsprüfung
- Angebotsphase
- Bewertung
- Einreichungs
- Governance
- Zuschlagsentscheidung
- Umsetzung
- Rechtsmittel
- Dokumentation
Rechtlicher Rahmen
EU‑Richtlinie 2014/24/EU verpflichtet öffentliche Auftraggeber, Aufträge oberhalb der Schwellenwerte in transparenten, diskriminierungsfreien Verfahren zu vergeben. Das wirtschaftlichste Angebot (Most Economically Advantageous Tender – MEAT) wird nach Preis‑Leistungs‑Kriterien ermittelt; qualitative, ökologische und soziale Faktoren dürfen einbezogen werden.
GWB, VgV und UVgO setzen die Richtlinie in deutsches Recht um. Wesentliche Prinzipien sind Wettbewerb, Gleichbehandlung, Transparenz, Vertraulichkeit, Mittelstandsfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Zuschlagskriterien müssen vorab festgelegt und gewichtet werden und dürfen nicht allein den niedrigsten Preis bevorzugen. Nachhaltigkeit und soziale Kriterien können Bestandteil der Vergabe sein.
Für Bauleistungen gelten zusätzlich die VOB/A; für Unter‑Schwellen‑Aufträge erlaubt die UVgO flexible Verfahren (beschränkte Ausschreibung, freihändige Vergabe) bei Wahrung der Grundsätze.
Weitere nationale Gesetze, wie Landesvergabegesetze oder Tariftreuegesetze, können zusätzliche Anforderungen enthalten (z. B. Mindestlöhne oder Frauenförderquoten). Diese Vorschriften dienen der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung und müssen ebenso berücksichtigt werden. Verstöße gegen diese Grundsätze können zur Annullierung des Verfahrens und zu Schadenersatzforderungen führen.
Vorbereitung des Vergabeverfahrens
Bedarfsermittlung: Analysieren Sie die Aufgabenbereiche (Besucherverwaltung, Zugangskontrolle, Post‑ oder Sicherheitsdienst). Beachten Sie branchenspezifische Normen und technische Entwicklungen wie digitale Besucherverwaltung oder barrierefreie Systeme.
Budget und Finanzierung: Prüfen Sie Haushaltsmittel und führen Sie eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durch. Förderprogramme oder EU‑Finanzierungen können die Beschaffung unterstützen.
Verfahrenswahl: Wählen Sie je nach Auftragswert und Komplexität zwischen offenem oder nichtoffenem Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichem Dialog oder freihändiger Vergabe. Offene Verfahren stehen grundsätzlich allen Bewerbern offen; nichtoffene Verfahren nutzen einen vorgelagerten Teilnahmewettbewerb. Verhandlungsverfahren sind nur bei komplexen Leistungen zulässig.
Leistungsbeschreibung: Formulieren Sie eine vollständige, präzise und produktneutrale Leistungsbeschreibung. Sie sollte Personalqualifikationen, Sicherheitsanforderungen, Service‑Levels, Nachhaltigkeits‑ und Sozialkriterien sowie Vertragslaufzeit und Losbildung enthalten. Die Kriterien und ihre Gewichtung für den Zuschlag müssen transparent in den Vergabeunterlagen festgelegt werden.
Bekanntmachung: Veröffentlichen Sie die Ausschreibung im EU‑Amtsblatt und im Bundesanzeiger, wenn der geschätzte Auftragswert oberhalb der Schwellen liegt; nationale Portale reichen unterhalb der Schwellen. Die Bekanntmachung muss alle relevanten Fristen und Kontaktinformationen enthalten.
Zu prüfen sind
Rechtslage: Gewerbeanmeldung und Eintrag in Berufs‑ oder Handelsregister.
Finanzielle Leistungsfähigkeit: Jahresabschlüsse, Bonitätsnachweise, Haftpflichtversicherung.
Fachliche Leistungsfähigkeit: Referenzen, Personalqualifikation, technische Ausstattung.
Zuverlässigkeit: Nachweise über die Einhaltung von Steuern, Abgaben und Antikorruptionsvorschriften. Die Europäische Eigenerklärung (EEE) kann als vorläufiger Nachweis dienen.
Angebotsphase und Kommunikation
Ausgewählte Bieter reichen fristgerecht Angebote ein, die verschlossen oder elektronisch verschlüsselt sein müssen. Fragen sind innerhalb der Angebotsfrist allen Bietern zu beantworten. Wesentliche Änderungen der Vergabeunterlagen dürfen nur ausnahmsweise erfolgen und müssen allen Bietern mitgeteilt werden. Nachverhandlungen sind – ausser bei Verhandlungsverfahren – nicht gestattet; zulässig sind lediglich Aufklärungen und Ergänzungen, die das Angebot nicht verbessern.
Die Bewertung erfolgt zweistufig
Formale Prüfung: Überprüfen Sie die Vollständigkeit, Fristeinhaltung und formale Richtigkeit. Angebote mit gravierenden Mängeln sind auszuschliessen; fehlende Dokumente können bei heilbaren Mängeln nachgefordert werden.
Inhaltliche Bewertung: Mit einem gewichteten Punktesystem werden die Zuschlagskriterien bewertet. Übliche Kriterien sind:
Preis/Kosten: Gesamtvergütung über die Laufzeit. Nicht der niedrigste Preis entscheidet, sondern das beste Preis‑Leistungs‑Verhältnis.
Qualitätskonzept: Organisatorische Abläufe, Schulungs‑ und Fortbildungskonzepte, Umgang mit Notfällen, Erscheinungsbild.
Personal und Organisation: Anzahl und Qualifikation der Mitarbeitenden, Schicht‑ und Vertretungspläne, Sprachkompetenz.
Service‑Level und Kundenzufriedenheit: Messbare Kennzahlen wie Wartezeiten und Besucherfeedback.
Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung: Umweltschonende Technologien, faire Arbeitsbedingungen, Inklusionsmaßnahmen.
Einreichungs‑ und Prüfanforderungen
Bieter müssen mit der Angebotsabgabe die Vergabeunterlagen und damit auch die Zuschlagskriterien akzeptieren. Vor der Wertung sind die Teilnahme‑ und Eignungsnachweise sorgfältig zu prüfen. Fehlende oder unklare Nachweise können nachgefordert werden, wenn dies in den Unterlagen vorgesehen ist. Angebote dürfen nicht nachträglich geändert oder verbessert werden; lediglich Aufklärungen sind zulässig, um zweifelhafte Angaben zu klären. Ungewöhnlich niedrige Preise sind zu prüfen und gegebenenfalls durch den Bieter zu erläutern. Eine vollständige Prüf- und Dokumentationskette stellt sicher, dass der Zuschlagsbeschluss später nachvollzogen werden kann.
Bewertungsgremien und Governance
Die Bewertung der Angebote sollte durch ein interdisziplinäres Team erfolgen, das Vertreter der Beschaffungsstelle, des Facility‑Managements und gegebenenfalls der Sicherheitsbeauftragten umfasst. Dieses Team sorgt für fachlichen Austausch und verhindert Interessenkonflikte. Eine separate Kontrollinstanz, etwa die Rechtsabteilung oder interne Revision, überprüft die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorgaben und dokumentiert Beanstandungen. Am Ende des Verfahrens werden die Erfahrungen des Gremiums ausgewertet und für zukünftige Ausschreibungen genutzt.
Zuschlagsentscheidung und Benachrichtigung
Nach der Bewertung werden die Angebote in eine Rangfolge gebracht. Der Zuschlag geht an das Angebot mit der höchsten Punktzahl, sofern alle Mindestanforderungen erfüllt sind. Der Auftraggeber dokumentiert die Entscheidung ausführlich, prüft fehlende Nachweise und informiert den erfolgreichen Bieter schriftlich. Die unterlegenen Bieter erhalten eine ablehnende Mitteilung mit kurzer Begründung und haben das Recht auf Einsicht in die Bewertungsgrundlage. Vor Vertragsabschluss ist eine gesetzliche Stillhaltefrist einzuhalten, während derer die Vergabe bei einem Nachprüfungsantrag ausgesetzt werden muss.
Vertragsabschluss und Umsetzung
Im Vertrag werden Leistungspflichten, Qualitätsstandards (KPIs), Sicherheits‑ und Datenschutzanforderungen, Personalstärken, Vergütung und Zahlungsmodalitäten, Laufzeit sowie Verlängerungsoptionen festgehalten. Es können Vertragsstrafen bei Leistungsstörungen und Boni für überdurchschnittliche Leistungen vereinbart werden. Der Übergang vom bisherigen zum neuen Anbieter ist sorgfältig zu planen (Einweisung des Personals, Übergabe von Zugangsmedien, Koordination mit Haustechnik und Sicherheitsdienst). Alle erforderlichen Nachweise (Versicherungen, Zertifikate, Schulungsnachweise) müssen vor Unterzeichnung vorliegen.
Rechtsmittel und Streitbeilegung
Benachteiligte Bieter können eine Rüge einreichen; sie ist Voraussetzung für ein Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer (nur oberhalb der EU‑Schwellenwerte). Die Kammer kann das Verfahren korrigieren oder aufheben. Gegen Entscheidungen kann Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt werden. Unterhalb der Schwellenwerte steht nur der Zivilrechtsweg oder die Beschwerde bei Aufsichtsbehörden offen. Die Zuschlagsentscheidung darf erst nach Ablauf einer gesetzlichen Stillhaltefrist wirksam werden. In Ausnahmesituationen kann eine vorzeitige Zuschlagserteilung beantragt werden.
Dokumentation, Kontrolle und Verbesserung
Alle Verfahrensschritte sind in einer Vergabeakte zu dokumentieren. Die Unterlagen sind in der Regel zehn Jahre aufzubewahren. Interne Revisionen und externe Prüfinstanzen (z. B. Rechnungshöfe) kontrollieren die Einhaltung der Vergabevorschriften. Nach Abschluss eines Verfahrens sollten Erfahrungswerte und Verbesserungsvorschläge (Lessons Learned) gesammelt werden, um künftige Vergaben effizienter zu gestalten und den Wettbewerb zu stärken.
Neben der Vergabeakte müssen Auftraggeber insbesondere den Datenschutz und die Vertraulichkeit beachten. Angebotsinhalte, Unternehmensdaten und personenbezogene Angaben der Bieter dürfen nur von autorisierten Personen eingesehen werden und sind nach geltenden Datenschutzgesetzen zu schützen. Der Zugriff auf digitale Vergabeplattformen sollte protokolliert und nach modernen IT‑Sicherheitsstandards gesichert werden. Bei der internen Nachbereitung empfiehlt es sich, externe Audits und Schulungen zur Verbesserung der Vergabekompetenz durchzuführen.
